Im Tierasyl Rijeka als Autistin – was habe ich gesehen – was habe ich erlebt. 04/2015

Hallo ihr Lieben

Ich möchte Euch erzählen, wie ich das Tierasyl in Kroatien, was von Chance für Fellnasen e.V. unterstützt wird, empfunden habe.

Bei der letzten  Spendenfahrt in dieses Asyl hatte ich das Glück, dass mich der Verein Chance für Fellnasen mitgenommen hat.

Als Autistin mag ich soziale Kommunikationen nicht besonders, und habe einiges an Schwierigkeiten im Umgang mit Menschen, darum mag ich oftmals die Tiere einfach mehr, um so glücklicher war ich……..

……..über diese Chance für mich. Und freute mich auf einen Urlaub voller Arbeit mit Hunden. Manchmal habe ich einfach das Gefühl die Tiere besser zu verstehen wie die Menschen.

 Die Fahrt dahin war sehr lange und die Eindrücke da schon ziemlich überwältigend. Für mich sollte es eine sehr schöne Zeit werden. Aber erst einmal zurück zu  der Fahrt.

Denn da  hatte ich ein Erlebnis auf meinen FB-Account, der mich nachdenklich stimmte. Dort schrieb mir jemand, das ich mir das Tierheim nicht so vorstellen sollte wie Tierheime in Deutschland und das ich dort viel Elend sehen würde. Als Autistin nahm ich diese Information und dachte ein wenig darüber nach und dieser Gedankengang sah ungefähr so aus:

Über Autisten gibt es genau so viele Vorurteile wie es Autisten gibt, die oftmals aus falschen Berichterstattungen im TV und den Medien  entstehen. Was ist also wenn es über Tierasyle im Ausland ebenso falsche Vorurteile gibt?

Ich habe ein wenig gegoogelt und fand Bilder und Medienberichte von Tierheimen im Ausland, alle sagten ungefähr das gleiche aus. Die armen Hunde werden schlecht behandelt und müssen auf engsten Raum leben. Dazu gibt es dann viele bemitleidenswerte Bilder, auf denen Hunde oftmals als traurige Wesen dargestellt werden. Ob das in diesem Tierheim auch so ist davon würde ich mir ja jetzt selber ein Bild machen können. Außerdem hatte ich in der Vergangenheit schon in vielen Tierheim in Deutschland gearbeitet und war gespannt auf die Unterschiede zu diesem Tierheim in Kroatien.

 Also war ich mehr wie gespannt auf das Tierasyl und war mega aufgeregt als es endlich am nächsten Morgen hieß das wir zum Asyl fahren. Dort angekommen wurden wir schon herzlich begrüßt . Die Lautstärke (für mich oft ein großes Problem weil ich sehr Geräusche empfindlich bin, und mir laute Geräusche in den Ohren weh tun) wurde enorm laut , da alle Hunde unser Kommen bemerkt hatten und uns mit lautem Gebell willkommen hießen. Dazu kamen uns am Tor schon zwei Hunde entgegen die einfach so in dem Asyl ohne Zwinger leben und ihr Leben dort genießen. Die zwei waren sehr scheu und anfassen konnte man sie nicht. Eines fiel mir nach den ersten paar Sekunden auf. Das Gebell das uns entgegen kam , war genau das bellen was ich aus Deutschen Tierheimen kenne wenn man als Helfer früh morgen rein kommt und das Essen verteilt.

Also keinesfalls ein aggressives Bellen sondern ein freudiges erwartungsvolles Gebell. Das mir sofort eine Art gute Laune verpasste,  ja ich war angekommen. Endlich mal wieder von mega vielen Hunden umgeben zu sein, das ist für mich der pure Urlaub.

 Ich war ja nicht nur zum schauen da, sondern wollte direkt mit anpacken, und das tat ich dann auch. Ich durfte ziemlich schnell alleine für mich arbeiten ( was mir als Autistin sehr entgegen kam). Vor jeder Zwingerreihe gab es einen Auslauf , wo man die Hunde raus lassen konnte, eben so einen Auslauf wie ich ihn aus Deutschen Tierheimen her kenne, dieser wird genutzt um die Hunde laufen zu lassen während man die Zwinger reinigt.

 Mir fiel dabei schon auf, dass alle Hunde sehr freundlich, aufgeschlossen und umgänglich waren.

Also hier gab es auch kaum Unterschied zu deutschen Tierheimen. Die Hunde die ich raus ließ,  begrüßten mich freundlich und holten sich ihre Kuscheleinheiten ab. Futter gab es natürlich auch. Die Mitarbeiterinnen mischten das Trockenfutter mit allerhand Leckereien und Spenden von einem örtlichen Metzger. So kamen auch Würstchen , Brühe, Eisbein und andere viele Leckereien in die Näpfe der Hunde. Kein Wunder, dass sie ihr Futter sofort leer schlabberten. Was auffiel war, dass mir dort kein Hund entgegen kam,  der nicht freundlich und aufgeschlossen war. Das war schon etwas anders zu deutschen Tierheimen, in denen immer wieder mal auch Tiere sitzen die Angstbeisser sind oder so Menschen gerne mal beißen. In manchen Zwingern saß nur ein Hund, weil dieser sich mit anderen Hunden nicht vertrug – in anderen wiederum hatten sie immer einen Rüden und ein bis zwei Hündinnen dabei. Auch hier war nicht wirklich viel Unterschied zu deutschen Tierheimen zu erkennen. Hier in Deutschland gibt es ein Gesetz wie groß ein Zwinger für 2-3 Hunde sein muss, das Gesetz existiert aber auch hier meist nur auf dem Papier, weil es einfach viel zu viele Hunde gibt, die im Tierheim sitzen und oft einfach das Problem hat nicht zu wissen wohin man mit diesen Hunden, die abgegeben werden . Darum sitzen hier in Deutschland auch viele Hunde in eigentlich zu kleinen Zwingern.

Dort in Rijeka waren die Zwinger nicht kleiner. Auch saßen nicht überwiegend mehr Hunde darin wie in DE auch. Das hatte mich erstaunt, denn das hatte ich mir anders vorgestellt. Irgendwie voller und mit weniger Platz, so wie es oft die Bilder, die man hier zu sehen bekommt, suggerieren.

 Zeit ist ein ganz wichtiger Faktor, den man sich eigentlich nicht erlauben kann, wenn man in einem Tierheim Tiere versorgt. Denn da muss man einfach schauen das die Arbeit fertig wird. Oftmals bleibt da bei der ganzen Arbeit die Hundestreichelzeit wirklich begrenzt. Das ist in Rijeka anders, wenn ein Zwinger aufgemacht wird und der Zwinger fertig gesäubert ist, hat man 20 Minuten Zeit sich intensiv mit diesen Tieren zu befassen. Was ich gerne in Anspruch nahm. Das war anders, in DE wäre ich in den freien 20 Minuten vom Chef zu anderen Arbeiten verdonnert worden, so das ich keine Zeit für Streicheleinheiten gehabt hätte.

 

Volontäre heißen die Leute, die sich in Rijeka freiwillig und ohne Bezahlung um die Hunde tagtäglich kümmern. In DE wird jeder Angestellte im Tierheim bezahlt. Die Volontäre habe ich als besonders liebevolle Menschen und aufopfernd kennen lernen dürfen. Was ich dann erleben durfte , habe ich hier in DE in keinem Tierheim erlebt, die Volontäre liefen mit jedem Zwinger (meist drei Hunde), einfach in den Wald ohne Leine, ohne Umzäunung. Das Faszinierende für mich war daran, dass die meisten Hunde in ihrem eigenem Rudel heraus kamen und sie oftmals Straßenhunde vorher waren, diese also eigentlich in der Lage sind sich selber zu versorgen und auf die Menschen im eigentlichen Sinne nicht angewiesen sind. Deswegen war ich sehr erstaunt, dass kein Rudel auf den Gedanken kam, einfach abzuhauen, was für sie gar kein Problem darstellen würde, denn sie waren ja nicht angeleint. Doch alle Hunde kamen bereits nach einigen Minuten wieder freudig aus dem Wald gerannt. Das zeigt mir doch, das diese Hunde sich dort wohl gefühlt haben müssen, wenn es ihnen nicht gut gehen würden, würden sie gerade im Rudel auf und davon sein.

 Nicht nur das die Volontäre super lieb auf die Hunde eingingen, sondern dass sie sich auch noch dafür die Zeit nehmen, war wunderbar mit anzusehen. Spaziergänge in Deutschland in den Tierheimen, in denen ich gearbeitet habe, war für die Hunde reiner Glücksfall, da mussten schon ehrenamtliche Helfer kommen und mit den Hunden laufen gehen und die nahmen meist nur die Hunde, die sie auch mochten. Oder ein Hund hatte das Glück , dass eine Familie mit ihm lief, weil sie sich für den interessierten . Das Alle raus kommen und einmal spazieren gehen, habe ich bis jetzt nur im Asyl in Kroatien erleben dürfen.

 Ein Gebäude fiel mir beim Reinkommen in das Asyl auf, eigentlich sah das nicht aus wie ein Zwinger, sondern eher wie ein kleines Aufenthaltshäuschen für Mitarbeiter, das aber umgebaut war zu zwei Zwingern. Das gab mit gerade auf die Volontäre bezogen zu denken, denn die saßen zur Pause vor diesem Zwinger und aßen ihr mitgebrachtes Brot, was nicht selten auch an die Tiere verfüttert wurde, wenn sie vorbei kamen. (der Freilauf war direkt mitten drin). Es sah so aus, als hätten die Volontäre ihren Aufenthaltsraum irgendwann mal aufgegeben als es zu viele Hunde wurden und sie Platz brauchten. In Deutschland hat man auch oft Platzprobleme, man würde aber niemals seinen Pausenraum opfern für mehr Platz. Auch gibt es dort kein fließendes Wasser. Das ist bei uns natürlich anders, aber es kommt die Feuerwehr regelmäßig vorbei und füllt die Wassertanks wieder auf. In Deutschland würde dieses Problem über Brunnen gelöst.In Kroatien kann man wegen dem Fels leider keinen Brunnen schlagen und so wird es halt über große Wasserspeicher gelöst. Den Hunden fehlt es also an nichts. Ich habe bemerkt, dass die Hunde wirklich im Mittelpunkt dieser Volontäre stehen und sie ihr eigenes Wohl hinten anstellen. Das finde ich persönlich eine tolle Erfahrung. Es gibt dort auch sehr ängstliche Hunde, die einfach noch mehr Zeit bräuchten um sie an Menschen zu gewöhnen. Auch in Kroatien ist diese Zeit,die man dafür benötigt, einfach nicht vorhanden. Das ist in DE auch nicht wirklich anders, es sei denn man möchte Überstunden machen.

 Durch Futterspenden und Geldspenden sind die Vorratskammern wirklich gut gefüllt, und das zeigte uns die Betreiberin mit einem gewissen Stolz. So viel Futter für die Hunde zu haben, sah man ihr an, machte sie glücklich. Aber für andere Sachen wie Futter wird kaum gespendet, eigentlich bräuchte dieses Tierheim, andere Sachen so wie Zaunspenden, neue Gitter, Hundehütten , einen Aufenthaltsraum für die Volontäre und eine Dusche. Aber dafür wird kaum etwas gespendet. Farbe für die bestehenden Gitter wären auch mal toll. Aber so was wird kaum gespendet und wenn mal etwas rein kommt wird das sofort verbaut. Kaum Bau Material lag auf dem Grundstück. Das ist anders in  DE liegt oft Baumaterial und man wird als Mitarbeiter dazu verdonnert, wenn wichtiger Besuch kommt, alles auf Hochglanz zu polieren, zu streichen, die Zwinger mit einem Hochdruckreiniger zu reinigen. Es darf bloß kein Kot in dem Zwinger liegen. So, dass ein Tierheim in DE sehr sauber und ordentlich rüber kommt. Ungeachtet der Tatsache, dass die Zwinger nach drei Tagen wieder wie vorher aussehen und man diesen Trugschein in DE kaum aufrecht erhalten kann. Außerdem geht fürs Polieren so viel Zeit drauf, dass man diese Zeit eigentlich lieber als Mitarbeiter den Tieren zukommen lassen würde.

Hunde werden umverteilt, dass die Zwinger nicht so voll aussehen. Auch habe ich Tierheime erlebt, die ihre Besucher gar nicht erst in die Zwingerreihen hinein lassen, damit diese nicht abgeschreckt werden. Ein wenig Farbe auf die Gitter etwas säubern und Umverteilen macht dann eben den Eindruck das es den Hunden in DE besser geht wie in Kroatien. Kratzt man aber diesen Lack mal ab , sieht man, dass es in Wirklichkeit gar nicht so ist.

 Zeitgemäß muss man sagen hatte jeder einzelne Hund in Kroatien mehr von mir wie die Hunde hier in DE in den Zwingern, obwohl ich schon Überstunden strampelte wo es nur ging.

 Auch ging die Betreiberin mit Leckereien die Zwinger ab und gab jedem noch eine Handvoll vom Lecker bevor sie abends Feierabend machte. Bei jedem Hund, der da vom Hof ging und vermittelt war, wurde von den Volontären rührend Abschied genommen. Man kann ihnen anmerken dass die Ungewissheit darüber ,ob es den Hunden im neuen zu Hause auch wirklich gut geht, an ihnen nagt. So habe ich Volontäre kennen lernen dürfen, die sich aufopfernd um die Hunde kümmern, die ihre Brote an die Hunde verfüttern und ihnen versuchen, das zu geben was die Hunde brauchen.

Machen wir uns nichts vor, klar sind Tierheime keine wirklich schöner Ort, auch hier in DE nicht, aber so lange wie sich Leute Hunde holen und sie dann hinterher einfach dort entsorgen und sich um keine Kastration kümmern wird es so bleiben. Deswegen sind Tierheime ja auch so wichtig, ich wünschte mir auch, dass wir sie nicht brauchen würden, aber so lange es Halter gibt die ihre Tiere abgeben , oder Menschen gibt die ihre Tiere derart verwahrlosen lassen dass sie ihnen weggenommen werden müssen, sind Tierheime das Einzige was wir dagegen setzen können. Mit mehr Geld könnte man vielleicht noch viel mehr Hunde in Pflegefamilien bringen, aber auch hier ist es wie überall , dafür fehlt es.

 

Mein Fazit: Bitte spendet nicht nur Futter sondern denkt auch immer daran das Baumaterial gebraucht wird, das Hundehütten eine seltene Spende darstellen und das ein wenig Farbe schon viel ausrichten würde. So weit zu meinen Eindrücken Ich hoffe ihr hattet Spaß beim lesen.

  1. Als Autistin bin ich immer wieder von Vorurteilen geplagt und man wirft vielen Autisten vor, sie wären nicht einfühlsam und würden nicht mitfühlen können. Das stimmt ja so nicht denn wir können Gefühle an den Gesichtern des Gegenübers nicht lesen aber mitfühlen können wir sehr wohl. Aber so wie Nicht Autisten uns ein mangelndes Mitleidsgefühl zusprechen , muss ich sagen das ich andersherum auch oft denke, dass Nicht Autisten bei Tieren ein echtes Mitgefühl nicht kennen. So wird zb. oft das laute Gebell hinter Zwingern als entweder aggressiv oder als bemitleidenswert empfunden, doch kaum jemand bekommt da die waren Gefühle der Hunde mit, kaum Einer sieht, dass diese Hunde sich gerade mega freuen. Viele Hunde sind schon so lange im Tierheim, dass sie nichts Anderes kennen, für diese Hunde ist das Tierheim ein zu Hause geworden das sie mögen und den Ablauf kennen. Kaum einer denkt daran, dass Hunde sich auch in so einem Umfeld wohl fühlen können. (sicherlich nicht alle, aber viele von ihnen schon). So habe ich nur positive Gefühle von den Hunden übermittelt bekommen. Fröhlichkeit, Spaß, Freude und viele positive Gefühle schlugen mir entgegen. Kein Vergleich zu dem depressiven Denken mancher Nicht autistischer Menschen , die sich nur darauf verlassen, was sie sehen und nicht darauf was an Gefühlen zu ihnen rüber dringt. Mein Fazit daraus ist, dass manche Menschen gefühlsblind gegenüber Tieren sind und ein völlig falsches Verständnis für die Gefühlswelt der Tiere haben. Ich fühle mit und wenn ich eins sagen kann , dann dass die Emotionen bei Tieren eine viel Ehrlichere ist wie bei Menschen. Einfühlsam bin ich wohl dann doch nur eben auf eine etwas andere Art und Weise.

Sam Becker
Autorin des Buches
„Die unsichtbare Folter“
Asperger Autismus aus der Sicht einer Betroffenen

 

Profil:
Sam Becker ist Asperger Autistin mit einer sogenannten Inselbegabung und einem sehr hohen IQ.
Ihr Leben war eine Odyssee bis sie mit 30 Jahren die Diagnose bekam und endlich verstehen konnte warum sie Anders ist.
Die Diagnose war ein Wendepunkt in ihrem Leben das nun endlich beginnen konnte. Sie schloss mit ihrem alten Leben weitestgehend ab und startete neu durch.
Sie gründete den Verein AutiCare in Dinslaken . Dieser berät und unterstützt Autisten und deren Angehörige. Sie ist auf dem CCC ebenso aktiv wie politisch. Aktuell fährt sie regelmäßig zu Arbeitskreisen auf Bundesebene um die Umsetzung der Behindertenkonventionen zu unterstützen  und die nötigen Gesetze dazu vorzubereiten.
Durch ihre Aktivitäten trägt sie viel dazu bei die Mauern zwischen Autisten und NT`s ( Neurotypen wie sie uns nennen) abzubauen und Vorurteile zu entkräften.